Habe in letzter Zeit ein paar Dokus gesehen:
Jesus Camp
Von @Nexochrom empfohlen. Gezeigt wird eine von besorgniserregender Empathielosigkeit geprägte Subkultur, die vor allem auf die Indoktrinierung ihrer eigenen Kinder ausgelegt ist. Das Programm der fundamentalen Christen ist ja inzwischen ein alter Hut: Kreationismus, Nationalismus, Islamophobie. Viel interessanter finde ich da die Motivation. Im Interview mit den Filmmachern erklärt eine Camp-Aufseherin der sog. "Charismatischen Bewegung", alle Muslime würden ihre Kinder zu Selbstmordattentätern heranziehen. Diese Selbstaufgabe sollen auch christliche Kinder verinnerlichen, weil - wir haben Recht. Das Problem mit "den Muslimen" sind also gar nicht die Gewaltbereitschaft, die Intoleranz oder der Dogmtismus, sondern dass sie einfach an den falschen Gott glauben.
Bestürzend ist auch die scheinbare Effektivität der Methodik. Durch das aggressive Auftreten der Redner und die martialische Rhetorik in den Kindergottesdiensten (Kinder werden unter anderem als Heuchler beleidigt, es herrscht eine sehr aufgeladene, bedrohliche Atmosphäre, ihnen wird abverlangt, ihr Leben für Jesus geben zu wollen), offenbaren die interviewten Kinder eine beängstigende Kompromisslosigeit. Deutlich wird das vor allem durch die Vehemnz und Aggression mit der ein befragtes Mädchen deutlich macht, wie sehr auf sie auf "die Anderen", also die Nichtgläubigen, scheißt (natürlich mit anderen Worten), weil sie ja in den Himmel kommt.
Übrigens ist der Film zehn Jahre alt, die gezeigten verblendeten Kids sind heute also in ihren Zwanzigern...
Noch ein paar random Gedanken und Zitate, die ich mir während des Schauens notiert habe:
- "Harry Potter woulda been put to death!" - "Amen!"
- Ist der Herr der Ringe auf dem Küchentisch der einen Familie überhaupt erlaubt?
- christlicher Techno, bei dem definitiv H.P. Baxxter singt
- Dieser Moment, wenn der Teufel deine PowerPoint-Präsentation crasht. Ja, dagegen wird vorher gebetet.
- Das Jesus Camp wird in DEVIL'S Lake aufgeschlagen. Fand ich gut.
- heiliges Wasser aus der Nestlé-Plasteflasche
- Vor dem Schlafen sollen die Kinder lieber über Gott reden, anstatt sich Geistergeschichten zu erzählen.
- Während Hexerei und Heidentum verteufelt werden (s. Harry Potter und Geistergeschichten) werden brain molds für Halloween im Gottesdienst verwendet.
- Im Namen Jesu wird eine billige Porzellantasse und damit die Kraft Satans zerschlagen (*insert wat?-meme*).
- Die Kinder wirken erstaunlich eloquent, solange sie die eingetrichterten Formeln aufsagen. Abseits davon kommen sie sehr schnell ins Stocken.
Ein Hells Angel unter Brüdern
Gezeigt wird vor allem Lutz Schellhorn, der President des Stuttgart-Chapters der Hell's Angels. Die Kritik lobt den Einblick in das Leben der Biker, kritisiert aber die fehlende Distanz zum Protagonisten. Zumindest letzteres kann ich nachvollziehen, denn oft wird eben nicht hinterfragt oder nachgebohrt. Insgesamt ist es aber schlicht, das Wenige, das der Dokumentarfilm zur Berichterstattung über den MC beträgt, das mich etwas ratlos zurücklässt. Einerseits ist es erfrischend, nicht die üblichen sensationsheischenden Headlines geboten zu bekommen; andererseits erfährt man einfach nicht viel und bekommt wenige Antworten. Das ist mit Sicherheit auch der nur scheinbaren Offenheit der Interviewten Mitglieder geschuldet bzw. der Schwammigkeit deren Aussagen. Trotzdem muss man sich dann auch nach dem Sinn eines solchen Films fragen.
Eines hat mir Ein Hells Angel unter Brüdern dann aber doch deutlich gemacht: die Hellsten sind das nicht. Gerade die Aussagen von Schellmanns Sohn sind an Dumpfheit nicht zu übertreffen. Ich jedenfalls wurde in meinem Vorurteil, dass sich da vor allem Männer treffen, die hart sein wollen und deswegen immer verkniffen dreinschauen (müssen), bestätigt. Die Diskrepanz zwischen propagiertem Outlaw-Leben und gelebtem Spießbürgertum scheint höchsten ein paar Altrockern aufzufallen. Die Jungen stehen mit stolzem Blick und trüben Augen abends vor der Bar, um vermeintliche Feinde fernzuhalten, während drinnen gesoffen wird.
Ach ja, interessant waren auch Schellhorns Aussagen zu einem wegen schwerer Vergewaltigung verurteilten Clubmitglied (leider wird nicht ganz klar, ob der Typ Mitgled in Stuttgart oder woanders ist, ich vermute jedoch Stuttgart). Bezeichnete Schellhorn Vergewaltigung zu einem früheren Zeitpunkt im Film noch als "unterste Schublade", wird das eingeknastete Mitglied auch weiterhin besucht und unterstützt und ist vor allem nicht aus dem Club geflogen. Auf die Frage nach einer Begründung schwafelt Schellhorn etwas von eigenen Beweisen, nach denen man die Situation unabhängig von Gericht und Gesellschaft bewerte. Was für Beweise das sind? Naja, man kennt sich eben schon lange und wenn jemand aus seinem Club lügt, ja dann merkt der Lutz das. Mit der betroffenen Frau reden? Nö. Arschloch.
GTFO
Über Seximus in der Gaming-Szene wurde schon viel gesagt und ehrlich gesagt will ich auch gar nicht so viel dazu schreiben. Das Thema macht mich einfach unendlich wütend, verständnislos und frustriert.
Entstanden quasi direkt vor der ganzen Gamergate-Kacke wird dann auch nur kurz auf diese verwiesen. Im Mittelpunkt stehen diverse Frauen aus der Szene - Programmiererinnen, Writerinnen, kompetitive Spielerinnen - welche über ihre Erlebnisse mit Sexismus durch männliche Spieler und andere Spacken im Internet befragt werden. Einmal mehr zeichnet sich ein Bild von unreifen, empathielosen und strunzdummen Arschgeigen, deren diffuse Angst von absurden Verschwörungen gegen ihr patriarchal geprägtes Weltbild sie zu absolut verachtenswerten Taten treibt.
Wer sich mit Gamergate beschäftigt hat, wird nichts wirklich Neues über die Vorgehensweise der Leute auf 4chan o.ä. erfahren, die einzelnen Belege der offensichtlich abgesprochenen Hasskampagnen gegen die porträtierten Frauen fand ich aber sehr interessant.
Gut, macht aber derbe schlechte Laune.
The Propagande Game
Ein Film über Nordkorea und die Wahrnehmung von Propaganda aus und über den Staat. Über Nordkorea selbst erfährt man denn auch weniger Neues, vorausgesetzt man hat sich schon mal ein wenig damit befasst. Das macht die Lebenssituation der Bevölkerung natürlich nicht weniger tragisch, öffnet aber behutsam den Blick für neue Perspektiven. Dabei fällt auf, dass große Teile der nordkoreanischen Kritk an den USA durchaus legitim sind (abgesehen natürlich von dem üblichen Geseiere über Invasionspläne der Obama-Regierung). Gerade zum Schluss wird die Motivation der USA, aber auch Chinas und Südkoreas erklärt, das Regime eben nicht zu stürzen, sondern die Diktatur am Leben zu erhalten. Einen Einfluss darauf hat freilich nur China. Zumindest ist das das Szenario, das die interviewten Experten nahelegen.
Wie immer ist natürlich kein ungefilterter Diskurs mit der Bevölkerung möglich; es bestätigt sich aber trotzdem der Eindruck, dass Indoktrinierung von Kindesbeinen an sowie massive Einschüchterung sehr effektiv sind, wenn man seine Bevölkerung auf Linie bringen will. Geliefert wird die übliche Ausländer-Tour zu ausgewählten Orten. Rund um die Uhr dabei sind natürlich auch staatliche Guides, die dann durch U-Bahn-Stationen, Supermärkte und Fake-Kirchen führen, während die interviewten Bürger, Militärs und Regierungsmitglieder bekräftigen, wie toll das Leben doch sei.
Besonders abstoßend ist Alejandro Cao de Benós, durch den der Dreh überhaupt möglich wurde. De Benós ist gebürtiger Spanier, ist aber nach Nordkorea ausgewandert und fungiert als Vermittler zwischen westlichen Journalisten und dem Regime. Zumindest stellt er sich selbst so dar. Laut seinem EIntrag in der englischsprachigen Wikipedia ist er aber weder offzieller Regierungmitarbeiter, noch vollwertiger nordkoreanischer Staatsbürger. Hauptsäschlich bietet er wohl Guided Tours für westliche Journalisten an. Über seine Motivation kann man nur rätseln. Im Film wird nahegelegt, dass schlicht viel Geld den Besitzer wechselt. Die Aggressivität, mit der er in Interviews gegen den Westen, vor allem Amerika, wettert, wirkt aber nicht gespielt und generell scheint er sich inmitten der Propaganda und als Teil derer sehr wohl zu fühlen. Zumindest seine Selbstherrlich- und -gerechtigkeit sind echt.
Die interessanteste Frage, die der FIlm stellt, ist die nach dem Geld für die gezeigten Hochhäuser, Vergnügungsparks, Denkmäler und Universitäten. So antwortet de Benós auch, woher die HP-Computer für eine Universität stammten, sei ein Geheimnis. Die Handelsblockaden gegen Nordkorea seien nutzlos. Leider erfährt man nicht mehr darüber, aber es stimmt: irgendwo muss der Kram herkommen und irgendwer muss dafür bezahlen.