Mit Gadgets Paranormale Aktivitäten untersuchen ist der Kernpunkt von Dark Fall: Ghost Vigil, einem PnC aus der Egoperspektive.
Als namenloser Neuling schließen wir uns einer dreiköpfigen Gruppe von selbsternannten Geisterjägern an, die über Nacht einen alten Gebäudekomplex mit düsterer Vergangenheit untersuchen wollen, in dem es spuken soll. Was ist hier einst geschehen, was die Seelen hier gefangen hält?
Ghost Vigil ist der 4te Teil der Dark Fall Reihe, was Newcomer aber nicht abschrecken muss, denn sämtliche Spiele sind unabhängig voneinander. Sie teilen sich lediglich das gleiche Universum, und wiederkehrende Charaktere und Orte sind mehr nettes Easter Egg statt existenzieller Story Bestandteil. Dazu gehört im übrigen auch das quasi Spin-Off The Lost Crown. Während die Dark Fall Titel mehr an Myst angelehnt sind, mit First-Person und bockschweren Rätseln, fühlt sich Lost Crown sehr viel klassischer an und hat die übliche Third Person Ansicht.
Ghost Vigil ist ein angenehmer Mix aus Dark Fall und Lost Crown, mit den Geisterjäger Gadgets als zentraler Dreh- und Angelpunkt, was die Hauptreihe eher fallen lies, das Spin-Off dafür aber groß gemacht hat und in meinen Augen auch der Main Sellingpoint des Titels ist.
In Egosicht geht es ins Spukhaus und klicken uns von einem fixen Screen in den nächsten. Grafisch soll alles so fotorealistisch wie möglich sein, und alles sieht auch so aus, als handele es sich um Realfotos, die eingescannt und als Texturen etc verwendet wurden. Das funktioniert so semi gut. Zwar hat dieser realistische Look was für sich, sieht aber auch sehr flach 2D an vielen Stellen aus. Gerne sind Bereiche unscharf, und gerade beim Bewegen von links nach rechts, können sich Winkel und Proportionen am Rand merkwürdig verzerren. Ich kann den Look einfach nur als altbacken und überholt bezeichnen. Hat man sich daran aber erstmal gewöhnt, stört es die ansonsten sehr dichte Atmosphäre nicht. Das Setting selbst ist sehr stimmungsvoll gestaltet.
Alles findet in der Nacht statt, und man benötigt fast konstant seine Taschenlampe, die einen ordentlichen Lichtkegel rausballert. Teils erschien sie mir schon zu stark und schnell überstrahlend, wenn man in eine hellere Nahansicht übergeht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Cursor und auch Untertitel im blassen Weiß dargestellt sind, was auf hellem Grund natürlich schnell etwas unter geht.
Ebenfalls schade ist, dass ohne Lampe eigentlich eine sehr düstere und gruselige Atmosphäre erzeugt wird, und mit gut gesetzten Lichtquellen noch unterstrichen werden kann.
Zunächst weisen die anderen Geisterjäger einem den Dachboden zu, wo quasi das Tutorial stattfindet und man alle Gadgets einmal beigebracht bekommt. Schnell fällt hier auf, dass manche Aufgaben recht langweilig und zur Fleißarbeit werden können. Um weiter zu kommen, muss man die selbe Sache oft mehrfach hintereinander machen, bis einer der NPCs einem sagt, dass es jetzt reicht. ZB gibt es im Tutorial ein simples Memory Spiel, das man so oft machen muss, bis die Gruppe zufrieden ist. (Bei mir waren es drei Runden.) Das ist nicht nur langweilig, sondern es wird auch sehr schlecht kommuniziert, dass man wiederholt spielen muss. Ich habe tatsächlich eine Weile festgehangen, was auch leider nicht die einzige Stelle dieser Art war.
Der absolute Tiefpunkt im späteren Spielverlauf war für mich die Stelle, an der man das Brettspiel "Snakes & Ladders" gegen ein Geisterkind spielen muss. Um weiterzukommen, muss man verlieren. Das Problem ist, dass hier tatsächlich hartes RNG am Werk ist. Da steuert keine KI den Verlauf im Hintergrund, jeder Würfelwurf ist wahrlich reinster Zufall. Und so kann man nichts weiter tun, als wieder und wieder auf den Würfel zu klicken, diesem dummen, langweiligen Brettspiel zusehen, und es so lange wiederholen, bis man eben verliert. Was bei mir mindestens eine halbe Stunde (!) gedauert und mich schier an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Ich habe tatächlich diverse Lösungen gegooglet, ob das wirklich ihr fucking Ernst ist, oder ich einfach noch was anderes machen muss. Aber nein, es ist wirklich einfach pures Glück an dieser Stelle.
Hat man das Tutorial überstanden, bleibt das Spiel weiterhin merkwürdig eingeschränkt, oft auch auf plumpe Art und Weise. Die anderen haben Bereiche mit Schlössern versehen, deren Code sie dir erst verraten, wenn die Zeit reif ist. Oder man bekommt einfach so verboten, eine Treppe hoch zu gehen. Zwar verhindert das sinnfreies Umherirren auf dem Gelände, wirkt aber sehr plump, und die Trigger sind mitunter recht dämlich gesetzt.
Die NPCs sind im übrigen mit der größte Stimmungskiller bei Zeiten. Es wäre so viel cooler, allein auf sich gestellt das Haus erkunden zu dürfen. Stattdessen geht alle paar Screens das Walkie-Talkie los, mit oftmals auch einfach dummem, unlustigem Gebrabbel. Dazu noch sehr amateurhaft vertont. Ich war dankbar für jeden Abschnitt, während dem aus Story Gründen die Kommunikation unterbrochen war.
Während man sich durch das heruntergekommende Gebäude klickt und alles anschaut, hört man in Nahansichten ein geflüstertes "Here", was der Hinweis dafür ist, dass man an dieser Stelle mit Hilfe der Gadgets was entdecken kann.
Ein paar von ihnen wird man nach dem Tutorial kaum noch anfassen. Die Hauptgadgets sind die Nachtsichtkamera, die verstecktes sichtbar machen kann, und ein Recorder, der Stimmen von Geistern aufzeichnet. Dies sind sehr verzerrt klingende Aufnahmen eines kurzen Satzes, den man auf seinem Ingame-Tablet entziffern muss. Ein Drop-Down Menü schlägt einem dabei mögliche Wörter vor, und so muss man das Gesprochene Raushören. (Manche fand ich dabei sehr gut zu lösen, andere waren akustisch deutlich schlechter, so dass ich mir mehr aus den Wörtern einen logischen Satz erschlossen habe, statt es wirklich zu 'erlauschen'.) Der Satz kann nur eine kleine Story-Info sein, aber auch oft ein Hinweis zu einem Rätsel nah bei.
Genau wie bei Lost Crown bleibt die Nutzung der Gadgets ständigi gleich und kann durchaus als repetetiv bezeichnet werden. Mich stört das aber überhaupt nicht, und es ist tatsächlich mein Lieblingsfeature. Man weiß nie so recht, was man finden wird, und es vermittelt ein nettes Gefühl von Erkunden und Untersuchen.
Die vorherigen Dark Fall Spiele haben einen sehr hohen Schwierigkeitsgrad, Ghost Vigil ist da deutlich zahmer. Ein paar Schwierigkeitsspitzen gibt es aber dennoch, und Stift und Papier sollten bereit liegen.
Ein paar kleinere (optionale) Sachen habe ich mehr durch Rumprobieren/Zufall getriggert und erst danach durch ein Walkthrough verstanden, wie das eigentlich gemeint war, und wäre von alleine so wohl nie drauf gekommen. Der Großteil der Rätsel und Puzzle ist aber durchaus machbar und fühlt sich befriedigend an.
Ein ganz zentrales Problem ist der Sound. Das fängt schon damit an, dass Ghost Vigil als erster Teil des Franchises keinerlei Lokalisierung erfahren hat. Es gibt nicht mal deutsche Bildschirmtexte, alles ist nur in Englisch verfügbar.
Und da kommt erschwerend hinzu, dass immer mal wieder Untertitel fehlen und man nur die Audio-Stimme hat, die oftmals auf irgendeine Weise verzerrt ist (weil Geist), was es absolut nicht einfacher macht, etwas zu verstehen. Ein Hinweissatz zu einem Rätsel konnte ich wirklich überhaupt nicht ausmachen.
Am Ende bin ich durch alles gut durchgekommen, genervt hat es mich aber trotzdem.
Der zweite Punkt sind Sound-basierte Rätsel/Musikrätsel. Hier gibt es eine Hilfe in den Optionen, die einem bei zwei Rätseln sehr hilft, sollte man es akustisch nicht hinbekommen oder beeinträchtigt sein. Allerdings gibt es noch andere Stellen, die mit Melodie arbeiten, wo die Hilfe nicht greift und erneut Trial'n'Error angesagt ist. Leider kommt hier zum Teil auch zum tragen, dass die Soundabmischung zwar in den Optionen regulierbar ist, im Spiel aber trotzdem schwanken kann. Hintergrundgeräusche sind teils störend laut, wenn man Töne raushören möchte.
Witziger Weise ist das generelle Sounddesign aber zugleich eine absolute Stärke des Spiels: Überall hört man unheilvolle Geräusche, Schritte und dramatische Untermalung an bestimmten Stellen sorgen für eine dichte Atmosphäre.
Stellenweise kann die Story ganz schön brutal und düster sein, und ich war immer daran interessiert mehr zu erfahren. Obwohl es dann auch manchmal etwas dumm wird. Wenn da zB der liebeskranke Lehrer ist, der einem Geist einen Antrag machen möchte...
Am Ende hat man eine gute Vorstellung davon, was an dem Ort passiert ist, wobei ich zugleich das Gefühl hatte, man darf es nicht zu genau hinterfragen. Zwar werden Subplots leicht angerissen bezüglich der Geisterjäger und einen selbst, alles davon aber leider fallen gelassen ohne irgendwo wirklich hinzuführen.
Das Spiel macht sehr deutlich, dass man zwei Enden - quasi ein gutes und ein böses - auslösen kann und wie. Wobei ich etwas enttäuscht war, wie ähnlich (und generell etwas blass) beide sind. Es gibt noch ein verstecktes drittes Ende, das ein Easter Egg für Lost Crown Fans ist. Zwar kann ich die generelle Idee sehr wertschätzen, aber auch diese Ende ist dann doch überraschend nichtssagend und uninteressant.
Die Geisterjagd kann 10-11 Stunden in Anspurch nehmen und ist dabei eine wahre Achterbahnfahrt mit hohen Höhen, aber auch tiefen Tiefen. Teils war ich sehr genervt und gefrustet. Zugleich aber auch immer wieder total von der dichten Atmosphäre überzeugt und dem gruseligen Setting. Ghost Vigil schafft es immer wieder ehrlich beklemmende Momente zu kreieren und mich so an den Bildschirm zu fesseln. Das war mir all die sonstigen Schwächen total wert, und ich bin doch mit einem guten Gefühl rausgegangen.
Wer jetzt Lust auf die Serie bekommen hat, aber nicht so recht weiß, wo er anfangen soll, dem empfehle ich The Lost Crown als Einstieg. Wenn das mit seiner eigenwilligen Art und schwankendem Pacing gefallen kann, dann ist Ghost Vigil der nächste logische Schritt.